Die Gründung des Jugendrats in Sevelen Anfang des Jahres hat schweizweit für Aufmerksamkeit gesorgt. Grund dafür ist das Mitglied Femi Hani, ein 19-jähriger Mann ohne Lautsprache. Er ist ein sogenannter UK-Nutzer, er drückt sich mithilfe von technischen Kommunikationshilfen wie einem kleinen PC an seinem Rollstuhl aus. «Das ist absolut grossartig», heisst es im sozialen Netzwerk LinkedIn. «Das Miteinander der gewählten Personen hat Auswirkungen auf künftige Generationen von Menschen ohne Lautsprache!», kommentierte die Organisation «Geballte Power für Unterstützte Kommunikation UK».
Die Seveler Gemeinderätin Barbara Samu-Schneider freut sich über das positive Feedback. Sie hat sich stark für den Jugendrat eingesetzt: «Kinder sind unsere Zukunft. Wenn wir als Gemeinde erfolgreich sein wollen, müssen wir auf sie hören: Was wollen sie? Was wünschen Sie sich? Und vor allem: Welche Ansprüche haben sie. Wie stellen Sie sich das Leben in der Gemeinde vor.» erklärt die Verantwortliche für das Ressort Jugend, Kultur und Soziales.
Der Jugendrat soll ein Sprachrohr der Jugendlichen sein und die Mitwirkung in der Gemeinde fördern. Jugendliche und ihre Bedürfnisse sollen ernst genommen werden. Darum sei es wichtig, dass die Mitglieder aus verschiedenen Kulturen und Kreisen stammen und unterschiedliche Bedürfnisse und Interessen haben. «Die Mitwirkung von Femi Hani hat uns zum Beispiel aufgezeigt, dass in der Gemeinde Verbesserungsbedarf bei der Barrierefreiheit besteht», erzählt Barbara Samu-Schneider.
Der Jugendrat Sevelen ist der Kommission Jugend, Kultur und Soziales unterstellt. Das Mitspracherecht ist politisch verankert: Der Gemeinderat Sevelen hat ein Reglement über den Jugendrat erlassen, welches Rechte, Aufgaben und Pflichten festlegt. Der Jugendrat wird jährlich an einem öffentlichen Wahlnachmittag gewählt. Stimmberechtigt sind alle anwesenden Sevelerinnen und Seveler, die sich im 14. bis 21. Lebensjahr befinden.
Die jungen Frauen und Männer treffen sich zweimal im Monat und diskutieren verschiedene gesellschaftliche und politische Themen, die sie und die Jugendlichen aus Sevelen bewegen. Sie lernen dabei zu debattieren, argumentieren sowie Kompromisse zu schliessen. Die wichtigsten Punkte werden in einem Protokoll festgehalten, welches zunächst in der Kommission Jugend, Kultur und Soziales behandelt wird und anschliessend im Gemeinderat.
Wenn die Jugendlichen ein bestimmtes Anliegen haben, können sie einen Antrag stellen. Auch der Gemeinderat kann mit seinen Anliegen an das Jugendparlament gelangen. Diese Möglichkeit haben sie zum Beispiel genutzt, um die Jungbürgerfeier wieder aufleben zu lassen. «Die Jugendlichen sollen nicht nur von ihrem Mitspracherecht Gebrauch machen, sondern sich auch ihrer Pflichten bewusstwerden», erklärt Gemeinderätin Barbara Samu-Schneider.
Der Jugendrat Sevelen besteht aktuell aus 7 Mitgliedern im Alter zwischen 13 und 21 Jahren. Sie alle wollen vor allem eines, wie Jugendrätin Sophia Novotny sagt: Die Interessen ihrer Generation vertreten und Raum für sie zu schaffen. Ihr grösstes Ziel ist es, einen Aussenplatz für Jugendliche zu realisieren. «Wir hätten gerne die Möglichkeit, uns auch ausserhalb des Jugendtreffs treffen zu können», erklärt Sophia Novotny. Die Gemeinde sucht derzeit aktiv nach einem Ort, wo sich die Jugendlichen im geschützten Rahmen austoben können, ohne dabei die Anwohnerschaft zu stören.
Neben den notwendigen, organisatorischen Aufbauarbeiten für den Jugendrat konnten die Jugendliche im vergangenen Jahr bereits erste Projekte umsetzen: Sie haben zum Beispiel eine Ideen-Box im Jugendtreff Stampf montiert, um herauszufinden, was sich die jungen Einwohnerinnen und Einwohner von der Gemeinde wünschen. Sie haben ein Klima-Projekt gestartet und an einem Stand an der WIGA-Messe Tipps gegeben, wie man Energie sparen und Abfall vermeiden kann. Der Jugendrat hat die Gemeinde ausserdem bei der Organisation der Jungbürgerfeier unterstützt, die mit über 20 Teilnehmerinnen ein voller Erfolg war.
Die Jugendliche mussten aber auch merken, dass sich nicht alle Anliegen umsetzen lassen. Wünsche wie zum Beispiel eine Gelateria oder einen Badesee sind nicht steuerbar, weil die Wirtschaft und nicht die Gemeinde zuständig ist. «Das fördert das Verständnis, dass nicht alles politisch machbar ist», erklärt Barbara Samu-Schneider.
«Die Gemeinde Sevelen hat erkannt, wie wichtig es ist, Kinder und Jugendliche in Entscheidungsprozesse einzubinden», lobt Martin Herren vom Jugendkompetenzzentrums KOJ Werdenberg, «Der Gemeinderat ist sehr bevölkerungsnah und macht einen guten Job». Als Jugendarbeiter von Sevelen darf Martin Herren den Jugendrat seit erster Stunde begleiten und beraten. Er begrüsst, dass die Gemeinde dem Jugendrat freie Hand bei der Themenwahl lässt. Das sei sehr wichtig und fördere die Entwicklung der Jugendlichen.
Er betont, wie wichtig ein Jugendrat in Gemeinden ist: «Die Kinder und Jugendlichen sind unsere Zukunft und wichtigstes Gut. Deshalb ist es wichtig, dass wir nicht über sie, sondern mit ihnen Entscheide fällen, die sie früher oder später selbst betreffen!» Das Mitspracherecht fördere nicht nur das Selbstvertrauen und Engagement der Jugendlichen, sondern auch das langfristige Interesse an der Politik.
Bereits etabliert hat sich der Jugendrat in Buchs. «You Speak» feiert dieses Jahr sein 10-Jahr-Jubiläum. Zu seiner grössten Errungenschaft zählt der Bau des Jugendparks in Buchs als Reaktion auf das Schwinden von Nischenplätzen und den Ordnungsdruck im öffentlichen Raum. Die Jugendräte wirken bei verschiedenen Anlässen im Rathaus und in der Stadt mit, organisieren Diskussionsrunden zu verschiedenen Themen und organisieren ein Jugendcafé und eine Jobbörse für die jungen Menschen in der Gemeinde. Auch hier ist das dem unermüdlichen Einsatz der offenen Jugendarbeit KOJ zu verdanken. Sozialarbeiter Arsim Hajdarevic steht dem Jugendrat seit Jahren mit Rat und Tat zur Seite und unterstützt ihn mit grosser Motivation bei der Umsetzung seiner Projekte.
In den vergangenen 10 Jahren engagierten sich über 70 Jugendliche bei «You Speak». Sie lernten dabei nicht nur für ihre eigenen Bedürfnisse einzustehen und Ideen selbstständig umzusetzen, sondern auch mit Rückschlägen umzugehen. «Das sind persönliche Erfahrungswerte, die bleiben und in andere Lebensbereiche überführt werden können», betont Arsim Hajdarevic. Er freut sich immer von ehemaligen Jugendräten zu hören, wie viel sie während dieser Zeit fürs Leben gelernt haben.
In Buchs gibt es ausserdem einen Verein, der bereits die Mitwirkung von Kindern fördert. Er heisst «ohne Kinder keine Stadt», kurz oKkS, und wurde 2019 am Tag der Kinderrechte initiiert. «Der Verein bezweckt, dass sich Kinder aktiv in die Stadt einbringen können», erklärt Gründungsmitglied Fred Rohrer. Die Kinder zwischen 8 und 16 Jahren treffen sich einmal im Monat. Unter Begleitung der ehrenamtlichen Präsidentin Mara Wehrli Sieber diskutieren sie ihre Wünsche und Bedürfnisse für die Stadt Buchs – und wie sie diese umsetzen können.
Ein voller Erfolg ist zum Beispiel das «Kino im Hallenbad», welches der Verein oKkS dieses Jahr bereits zum zweiten Mal im Flös organisiert hat. Die Kinder haben vor allem kreative Veranstaltungsideen, aber auch schulische Themen beschäftigen sie. Die Anliegen sind dem Alter entsprechend weniger politisch als in den Jugendräten, die Erfahrungen im Verein laut Fred Rohrer aber genauso lehrreich: «Die Kinder lernen Zuständigkeiten kennen, was sie mit persönlichem Engagement alles bewirken können, aber auch wo die Grenzen liegen – wichtige Erfahrungen, die sie im Leben weiterbringen.»
Sowohl der Jugendrat Sevelen als auch die Vereine «You Speak» und «Ohne Kinder keine Stadt» freuen sich auf Unterstützung. Mehr Infos zu den Organisationen sowie die Kontaktdaten findest du unter folgenden Links: