Ich habe im vergangenen Jahr ein Haus im Toggenburg gebaut. Meine Lebenspartnerin stammt von dort und mir gefiel die Region schon seit meiner Lehre als Polymechaniker, die ich dort in einem Betrieb absolviert habe. In dem Moment als ich mich entschieden habe, in den Kanton St. Gallen zu ziehen, war für mich klar, dass ich auch eine Arbeitsstelle in der Nähe suchen werde. Ich habe gekündigt und nach dem Bau unseres Hauses einen neuen Job gesucht. Die freie Stelle bei Werdenberg Tourismus kam mir gerade recht. Die Region ist spannend und hat grosses Potenzial, um sich weiterzuentwickeln.
Mein erster Eindruck ist sehr gut. Das touristische Angebot ist gross. Neben dem Schloss und Museen Werdenberg gibt es Restaurants, Hotels, ein Kino, ein Golfplatz, einen Greifvogelpark, Mühlbach und vieles mehr. Vor allem bietet die Region eine herrliche Naturlandschaft, mit einem grossen Angebot an Bike- und Wanderwegen. Die Leistungsträger sind sehr offen und daran interessiert, gemeinsam weiterzukommen, ebenso die Gemeinden, die den Tourismus gemeinsam fördern. Diese Bereitschaft für Veränderung ist eine wichtige Voraussetzung und trifft man in dieser Form nicht überall an. Ich halte das für eine grosse Chance.
Tourismus Werdenberg als Organisation unterscheidet sich natürlich von grösseren touristischen Betrieben. Die Strukturen sind einfach, als Leiter Tourismus bin ich Geschäftsführer, Kundenberater, Marketingverantwortlicher und Projektmanager in einem. Ausserdem fehlen touristische Abgaben wie bspw. eine Tourismus- oder Kurtaxe, die finanziellen Mittel sind also bescheidener. Aber das sehe ich nicht als Problem. Ich finde Werdenberg Tourismus hat einen guten Weg eingeschlagen und ich verfolge diesen gerne weiter so.
Als Erstes werde ich den Kontakt zu den Leistungsträgern und den Gemeinden suchen. Dabei geht es darum herauszufinden, welche Ideen bereits vorhanden sind und welche schon ausprobiert wurden – mit oder ohne Erfolg. Zweitens müssen wir die DNA der Region Werdenberg herausschälen, also die touristische Identität. Dabei geht es um die Frage: Was macht die Tourismusregion Werdenberg aus? Gemäss aktuellem Angebot liegt der Schwerpunkt in der Natur, dem Langsamverkehr – also dem Wandern und Velofahren – und Kulturveranstaltungen. Um sich von anderen Tourismusregionen abzuheben, benötigt es aber ein Alleinstellungsmerkmal. Einerseits müssen wir neue Angebote schaffen, die uns von anderen Destinationen unterscheiden, gleichzeitig müssen wir enger mit umliegenden Tourismusorganisationen zusammenarbeiten. Denn die Besucher interessiert es nicht, in welcher touristischen Region sie sich befinden, sie wollen einfach Spass und Erholung.
Ganz klar die aktuelle Situation. Dem Tourismus geht es allgemein sehr schlecht. Hotels und Restaurant bilden das Herz des Tourismus. Die Corona-Pandemie hat die Tourismusbranche sehr in Mitleidenschaft gezogen. Als kleine Tourismusregion wie Werdenberg ist es ausserdem schwierig, schweizweit wahrgenommen zu werden. Neue innovative Ideen müssen entwickelt werden, um die Aufmerksamkeit der Zielgruppe zu erregen. Dabei geht es nicht darum, internationale Märkte zu erschliessen. Die Hauptzielgruppe sind Menschen aus der Ostschweiz und Liechtenstein. Dabei darf auch die einheimische Bevölkerung nicht vernachlässigt werden. Werdenberg ist ihr Naherholungsgebiet. Trotz dieser Herausforderungen ist es mir ein Anliegen, mit den vorhandenen Ressourcen und finanziellen Möglichkeiten das Beste aus der Region Werdenberg herauszuholen – immer mit dem Ziel, dass Leistungsträger und Gemeinden davon profitieren.
Ich verfolge die aktuellen Entwicklungen in der Tourismusbranche natürlich mit. Bei Tourismus Werdenberg stehen wir aber momentan noch an einer anderen Stelle im Prozess. Wir müssen uns als Erstes um die Entwicklung des Angebots und der Destination kümmern. In einem zweiten Schritt kann der Aufenthalt der Besucher dann mithilfe neuester Technologien zum Beispiel beim Ticketing verbessert werden. Wir müssen aber einsehen, dass wir in der aktuellen Situation nicht in der Lage sind eine Vorreiterrolle einzunehmen, weder bei der Digitalisierung noch im Bereich Social Media. Wenn sich die neuen Systeme durchsetzen, prüfen wir diese aber natürlich. In der Zwischenzeit sind wir beschäftigt, bereits bestehende Angebote zu digitalisieren. Noch sind nicht alle Leistungsträger soweit.
Jörg Steiner ist 42 Jahre alt und stammt aus dem Prättigau im Kanton Graubünden. Nach seiner vierjährigen Profikarriere im Segelsport übernahm er den Familienbetrieb Fideriser Heuberge. 2011 verkaufte Jörg Steiner den touristischen Betrieb und studierte Betriebswirtschaft und Politik. Nach dem Studium begann er für Schaffhauserland Tourismus zu arbeiten. Als stellvertretender Direktor war er während 7 Jahren massgeblich an der Weiterentwicklung der Destination Schaffhauserland beteiligt. Heute lebt Jörg Steiner im Toggenburg. Seit Mai ist er Leiter von Werdenberg Tourismus.